Aktuelle Kolumne

 
1. Dezember 2011

Lohnfortzahlung für Kinderbetreuung?

Im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz «Ohne Arbeit kein Lohn». Von diesem Grundsatz gibt es sozialpolitisch begründete Ausnahmen. Ist ein Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, besteht für eine beschränkte Zeit ein Lohnanspruch. Im Gesetz werden Krankheit, Unfall, Schwangerschaft, Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht (z.B. Militär- und Zivildienst, Erscheinen als Partei oder Zeuge vor Gericht) oder Ausübung eines öffentlichen Amtes (z.B. Mitgliedschaft in einer Behörde oder in einem Parlament) genannt (Art. 324a des Obligationenrechts).

Lange Zeit war umstritten, ob auch die Pflege erkrankter Angehöriger, namentlich die Pflege eines erkrankten Kindes durch die Eltern, den Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR verpflichtet. Mittlerweile besteht Einigkeit, dass auch hier Art. 324a OR anwendbar ist. Allerdings ist die Absenz am Arbeitsplatz möglichst kurz zu halten, und es sind geeignete Ersatzlösungen zu suchen (z.B. Pflege des erkrankten Kindes durch Verwandte oder Nachbarn).

Das Arbeitsgericht Zürich hatte folgenden Fall zu beurteilen: Die Mutter sah sich ausser Stande, ihrer Arbeit nachzugehen, weil die Kinderkrippe wegen eines mit dem Schweinegrippevirus infizierten Kindes und des Risikos weiterer Ansteckungen geschlossen worden war. Das Gericht kam zum Schluss, die Arbeitsverhinderung sei nicht auf die persönlichen Verhältnisse der Mutter zurückzuführen. Es handle sich vielmehr um ein objektives (allgemeines) Leistungshindernis, das mit einer Seuchengefahr vergleichbar sei. Es sei nicht allein die Mutter betroffen, sondern alle berufstätigen Eltern mit Kindern in der fraglichen Krippe. Die Mutter erhielt deshalb für die beiden Fehltage keinen Lohn.

Autorin: Andrea Gisler
erschienen im «Gossauer Info»



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