Neue Kolumne

 
1. Juni 2020

Medizinische Behandlung im Ausland

Bei einer Frau im Rentenalter wird Lungenkrebs diagnostiziert. Der Onkologe rät ihr, die Art der Therapie erst nach Vorliegen der Ergebnisse der Biopsie festzulegen. Einen Tag nach der Gewebeentnahme reist die Frau mit ihrem Ehemann per Schiff in die USA, wo sie jedes Jahr die Wintermonate verbringt. Noch auf der Überfahrt übermittelt ihr der Onkologe den Biopsiebefund und rät ihr zu einer Immunisierungstherapie. Nach der Ankunft in Florida holt die Frau eine ärztliche Zweitmeinung ein und beginnt vor Weihnachten die empfohlene Immuntherapie. Über die Neujahrstage feiert sie auf einer Karibik-Kreuzfahrt mit ihren Angehörigen ihren 80. Geburtstag. Nach der Rückkehr nach Florida verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand. Sie wird hospitalisiert und verstirbt Anfang Februar.

Der Krankenversicherer übernimmt nur die Kosten des Spitalaufenthalts, nicht aber die übrigen Kosten für Behandlungen und Medikamente in den USA. Der hinterbliebene Ehemann ist damit nicht einverstanden und geht bis vor Bundesgericht.

Die obligatorische Krankenversicherung übernimmt nur dann Krankheitskosten im Ausland, wenn ein Notfall vorliegt oder die medizinische Behandlung in der Schweiz nicht erbracht werden kann. Gemäss Bundesgericht hat die Frau bewusst in Kauf genommen, ihr Krebsleiden in den USA zu behandeln. Es gebe keine Hinweise, dass die Frau im Dezember aus gesundheitlichen Gründen ausserstande gewesen sei, in die Schweiz zurückzukehren. Die Kreuzfahrt in Mittel- und Südamerika lasse auf eine grundsätzliche Reisefähigkeit der Frau schliessen. Die von langer Hand geplante und weit im Voraus gebuchte Karibik-Kreuzfahrt mit der Familie rechtfertige es nicht, ausnahmsweise vom Grundsatz der Inlandbehandlung abzuweichen. Die in den USA angefallenen Krankheitskosten sind deshalb vom Krankenversicherer nicht zu vergüten.

Autorin: Andrea Gisler
erschienen im «Gossauer Info»

Zurück zur Medien-Übersicht