Neue Kolumne

 
30. September 2023

Unfall in den Bergen

Ein junger Mann begibt sich mit einer Gruppe auf eine hochalpine Bergtour. Wegen der kalten Wetterbedingungen kommt die Gruppe langsamer voran als erwartet. Beim Aufstieg bricht das Steigeisen am linken Fuss des Mannes, und er verliert einen Aussenhandschuh. Erst um Mitternacht erreicht die Gruppe den Gipfel. Das Wetter verschlechtert sich weiter und erschwert die Orientierung. Hinzu kommt die Müdigkeit, weshalb die Gruppe noch langsamer vorwärtskommt. Als ein Pistenfahrzeug die Gruppe am Morgen findet, hat der junge Mann Erfrierungen an den Fingern der rechten Hand.

Die Versicherung, bei welcher der Mann über seinen Arbeitgeber gegen die Folgen von Unfall versichert ist, verneint ihre Leistungspflicht. Sie stellt sich auf den Standpunkt, es liege kein Unfall vor. Es sei allein die Kälte, welche die Erfrierungen verursacht habe.

Das Zürcher Sozialversicherungsgericht geht von einem Unfall aus und verpflichtet die Versicherung, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Es hält fest, dass eine Schädigung nur dann als Unfall gilt, wenn sie auf ausserordentliche, unvorhersehbare Umstände zurückzuführen ist. Nicht aussergewöhnlich sei auf einer Höhe von 3500 bis 3600 Metern über Meer grosse Kälte, die Erfrierungen verursachen könne. Verschiedene Umstände (Wetter, Bruch des Steigeisens und Verlust des Handschuhs) hätten aber unweigerlich dazu geführt, dass die Route länger gedauert habe als vorgesehen. Das Gericht bezeichnet die Umstände in einer Gesamtschau als ausserordentlich und zumindest teilweise unvorhersehbar. Es geht von einem Ausnahmefall aus, der es gebietet, die erlittenen Erfrierungen als Unfallfolgen einzustufen.

Autorin: Andrea Gisler
erschienen im «Gossauer Info»

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